Profundismus

Ein Weg, die moderne Malerei wiederzubeleben

1.1 Fünf Thesen des Profundismus

  1. Profundistisches Malen schließt Gefälligkeiten nicht aus, doch Schönheit hat zurück zu stehen.
  2. Profundistische Malerei schließt praktisches Handwerk – wie man Farbe mischt und aufträgt – sowie theoretische Kompositionsregeln nicht aus. Entscheidend ist, als Gerüst für die Eigenart des Künstlers, ausschließlich die kompositorische Ebene.
  3. Beim profundistischen Malen können bekannte Stilrichtungen in das Werk einfließen, doch insgesamt muss etwas Neuartiges entstehen.
  4. Profundistische Malerei kann eine Geschichte erzählen, also durchaus narrativ sein. Bedeutsamer ist der Aspekt, direkt etwas in Gang zu setzen. Dies allein durch die Energie, die von der kompositorischen Totalität ausgeht.
  5. Eine Komposition ist dichter und mannigfaltiger, wenn:
    1. große Flächenausdehnungen und repetitive Muster vermieden werden,
    2. das gesamte Farbenspektrum zum Einsatz kommt.
  6. Die Herausforderung ist, das Gesicht des Bildes zu erhalten. Nicht in ein buntes Chaos von Zufälligkeiten und Effekten abzugleiten.

1.2 Erläuterungen zum profundistischen Malen

Die in der fünften These angesprochene Dichte und Mannigfaltigkeit eines Gemäldes ist das Neue an der profundistischen Malerei. Solche Bilder gehen an die Grenze, an der das Kunstwerk als Gesamtheit zu
zerfallen droht. Erreicht der Maler das Ziel, geht er bis an die Grenze, entsteht eine Totalität, die die ursprüngliche Wirklichkeit des Künstlers in Erscheinung bringt.

Felix Pruner erkennt, dass in allen seinen Bildern wichtige künstlerische Grundregeln nicht aus dem Auge verloren werden dürfen, sollte eine völlige Homogenität in der Komposition erreicht wird.

Der Zweck des Malprozesses ist, dass beim Übergang von Zerfall zu Befriedigung typische Merkmale und Stimmungen einer Landschaft auf versteckte Art zur Geltung kommen. Durchaus sogar surrealistische Momente. Die Bezeichnung „Profundismus“ ist vom französischen Wort profond abgeleitet und wird in doppeltem Sinn verwendet: Zum einem, dass diese Art des Malens dicht und gründlich ist, zum anderen,
dass Wert auf die Tiefen in der Komposition gelegt wird.

Der Profundismus enthält Elemente bekannter Stilrichtungen (hauptsächlich expressionistische, kubistische und impressionistische). Das ist zufällig und unbewusst, wie bei jeder Kunst. Denn Kunst gibt
es nur, weil es Kunstgeschichte gibt. Das Bekannte kann in den Entstehungsprozess integriert werden, um das Ziel zu erreichen.

Durch die Verschmelzung von bekannten Mitteln und Malrichtungen entsteht etwas Neuartiges, das mit jeder einzelnen dieser Komponenten nicht zu vermitteln ist. Das Neuartige resultiert aus dem Vermehrenden im Malprozess. Wie bei allen neuen Kunstrichtungen beinhaltet der Profundismus die Übertreibung, um die Werte dieser Malrichtung zu prononcieren.
Der Profundismus fühlt sich mit Cézanne wahlverwandt, mit dessen Ansichten und Intentionen: „Er wollte eine volle, ganzheitliche Kunst, aus dem Studium der Natur gewonnen, aber in Einklang mit den Mitteln der Kunst gebracht und auf die Erfassung einer tieferen Wahrheit der Natur zielend. … In der Folgezeit ist der Kristall in tausend Teile zersprungen, und jeder einzelne Teil weiß nichts mehr von dem anderen.“ (Hajo Düchting über Cézanne)

Das Werk eines Genies wie Cézanne ist nicht kontinuierlich fortzusetzen. Es musste zuerst zerpflückt und analysiert werden. Jetzt ist es aber an der Zeit, die Teile wieder zusammen zu fügen, um die Malerei wirklich weiterzuentwickeln. Zurzeit sind nur wenige lebende Künstler dazu in der Lage.

1.3 Die derzeitige Situation in der modernen Malerei

Die meisten Vertreter der derzeitigen abstrakten oder abstrahierenden Malerei bleiben in einer Bildphase stehen, in der es für einen talentierten Künstler keine Schwierigkeiten gibt. Diese Arbeiten sind
meist viel zu flächig oder skizzenhaft. Die Künstler vergessen, dass auch im Detail abstrahiert werden kann. Aber erst bei einer größeren Dichte, wird es schwierig. Dann tauchen auch für den Könner
Kompositionsprobleme auf. Das Risiko, dass das Bild entgleitet oder zerfällt wird meist gescheut.

Die Gründe für die Anspruchslosigkeit sind darin zu suchen, dass entweder die wenigsten Maler tatsächlich komplexe Bildkompositionen beherrschen, oder aber, aus kommerziellen Motiven, im Dekorativen verharren. Für komplexe Bilder gibt es weder Interessenten noch einen Markt.

Eine bessere Bildung des Publikums ist vonnöten, damit die Schönheiten der profundistischen Malerei gesehen werden. Der Betrachter sollte einen Lernprozess durchlaufen, um mehr als nur oberflächliche Schönheit zu genießen. Man braucht besonders am Anfang viel Zeit, um sich in die Komplexität solcher Arbeiten einzulassen, das angebliche, vordergründige Chaos hinter sich zu lassen.

Profundistische Bilder müssen als Ganzes betrachtet werden, um die Heraushebung einzelner Objekte und ihre Einbettung in das Ganze als Teil der Komposition zu verstehen. Nicht über Einzelheiten versteht man das Ganze, sondern erst wenn einem die Gesamtheit klar ist, erkennt man die Einzelheit.

Schwierig ist die Einschätzung der Qualität einer Komposition, vor allem, wenn der Künstler an die Grenze kompositorischer Regeln geht. Gerade bei den künstlerisch auf hohem Niveau stehenden Arbeiten ist zu beobachten, dass eine ausgefeilte Technik nicht mehr notwendig ist. Der technische Teil des Handwerks wird zwangsläufig vernachlässigt, wenn die Kunst auf kompositorischer Ebene auf hoher Stufe steht. Vom bloßen Kunstmaler darf und muss sogar eine brillante Technik verlangt werden, weil er meist nur einfache, leicht erlernbare Raumaufteilungen verwendet.

1.4 Fazit

Es muss gelingen, die angesprochenen, fast vergessenen Werte in die Malerei wieder zu integrieren. Das ist ein Weg, auf dem der Malerei der ihr angemessenen hohen Stellenwert wieder verschafft werden kann.